Mittwoch, 29. April 2020

Schlechte Propaganda

Stets waren die die Macht innehabenden Wenigen, egal, wie sie ihre Macht legitimierten, durch Besitz, Geburt, göttliche Bestimmung, daran interessiert, die machtlosen Vielen davon zu überzeugen, dass die gerade gültigen Konventionen und Lebensverhältnisse genauso wie sie sind, die einzig richtigen sind. Die Methoden, die sie dazu benutzten, variierten über die Jahrtausende. Am effizientesten gelang das immer, wenn es ohne den dauerhaften Einsatz von offener Gewalt geschah. Durchaus angemessen und immer wieder praktiziert wurde hingegen der kurzfristige Einsatz offener Gewalt, oder der dauerhafte Gebrauch verdeckter, gar nicht wahrgenommener Gewalt – bis heute. Beispiel in jüngster Zeit für den ersten Ansatz wäre die von Naomi Klein beschriebene Schock-Strategie. Für den zweiten Weg benötigt man eine funktionierende Propaganda. Die damit ausgeübte „Soft Power“ bleibt aber Gewalt, unsichtbare Gewalt!
 
Momentan ist etwas Interessantes zu beobachten.
  1. Da gibt es ein die Gesundheit der Menschen bedrohendes Virus.
  2. Wenn gleichzeitig zu viele Menschen infiziert und so krank werden, dass sie medizinische Hilfe unterschiedlicher Intensität in Anspruch nehmen müssen, kann das Gesundheitssystem an seine Grenzen stoßen.
  3. Um das zu vermeiden, müssen Maßnahmen ergriffen werden, die das Erkranken vieler Menschen gleichzeitig verhindern. 
Ich glaube, bis zu diesem Punkt ließe sich ein allgemeiner Konsens herstellen.

Man müsste annehmen, dass sich die Verantwortlichen und politischen Entscheider zu diesem Zeitpunkt umfassende wissenschaftliche Expertise beschaffen. Was geschah? Erst einmal gar nichts, dann orientierte man sich bei seinen Entscheidungen an einem bundeseigenen Institut und einem Virologen. Abweichende Meinungen oder Strategien wurden von Anfang an ignoriert, verdreht, delegitimiert. Die Ärzte, Biologen, Virologen, Epidemiologen, Medizinstatistiker, die sie vertraten, von Anfang an verächtlich gemacht, verlacht und verleumdet.

Warum?

Warum waren sich Politik und veröffentlichte Meinung von ganz links bis ganz rechts, vom Mainstream bis zu bis dato als kritisch angesehenen Blogs und Portalen, vom Alphajournalisten bis zum Kabarettisten so einig?

Warum ist die Angst so groß, dass kein Diskurs erlaubt ist, dass Websites gesperrt, YouTube- Beiträge gelöscht werden. Wohlgemerkt, ich spreche von Seiten und Filmen, auf und in denen dezidiert Argumente vorgetragen werden von Leuten, die sehr wohl etwas von der Materie verstehen. Man muss ihnen keineswegs zustimmen, aber warum macht man sie unsichtbar?

Warum verleumdet man die um das Grundgesetz besorgten Bürger, die sich seit einigen Wochen sonnabends treffen als Antisemiten, Rechtsradikale und esoterische Spinner („die Coronaviren werden von Funkmasten übertragen“). Wie elegant könnte man die Demonstrationen dieser Menschen begrüßen, ihre Sorge um die Verfassung positiv begleiten. („Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Regierung findet es großartig, mit welcher Energie Sie sich für unser aller Grundgesetz engagieren. Wir sind mit Ihnen einig, dass es sich lohnt, für seine Verteidigung zu kämpfen…“) Und danach macht man weiter, wie man es ohnehin vorhat.

Warum stattdessen diese Wut? Warum die schlechte, weil offensichtliche Propaganda?

Die harmlosere (?) Auflösung des Rätsels wäre, dass man von Demokratie nicht so viel hält, das Volk als unmündig ansieht und an Aufklärung und Teilhabe absolut kein Interesse hat („Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.")

Den Gedanken an die andere Möglichkeit, man hätte Angst davor, es könnte, würde man auch nur ein wenig Platz zum Nachdenken lassen, bemerkt werden, dass man vorhat, die gesamte Bevölkerung den Profitinteressen der Pharmaindustrie und dem Größenwahn einzelner Multimilliardäre zum Fraß vorzuwerfen, um dabei ein paar Krümel des gewaltigen Kuchens zu ergattern, verfolge ich nicht weiter.

Der Gedanke ist ja zu absurd, ich bin ja kein Verschwörungstheoretiker.

Mittwoch, 22. April 2020

Die Maske

Nun also flächendeckend.

Die letzten Bundesländer haben sich für eine Verpflichtung der Bürger zum Tragen von Gesichtsmasken, (MNS: Mund-Nasen-Schutz) entschieden. Zwar vorerst nur in Öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften, Schulen und Behörden, aber mehr ist auch nicht nötig, um die Bevölkerung dazu zu bringen, den Atemschutz permanent in der allgemeinen Öffentlichkeit zu tragen,  denn ein ständiges Auf- und Absetzen wird rasch als zu aufwendig betrachtet werden.

Der staatstreue und obrigkeitsgläubige Bürger kennzeichnet sich also ab jetzt selbst.

Das hat es in der Geschichte meines Wissens noch nicht gegeben. In der Vergangenheit unterschied sich der brave Bürger vom Außenseiter dadurch, dass er kein Zeichen trug. Es waren die Outlaws und Geächteten, die gekennzeichnet, die stigmatisiert oder verstümmelt wurden. Heute haben sie einfach keine Maske auf. Stigmata konnte man verstecken, Zeichen nicht tragen. Aber wie will man keine Maske verbergen?

Wochenlang, während sich das Virus noch munter verbreitete, hielt man es nicht für nötig, das Maskentragen ernsthaft nahe zu legen. Jetzt, wo die Zahl der Neu-Erkrankten zurückgeht, die Reproduktionszahl bei 1 und darunter liegt, die Intensivstationen nicht überlastet sind, ist es zwingend notwendig.

Nein, mit der Eindämmung eines Virus hat diese Maßnahme nur noch am Rande zu tun. Sie dient allein dazu, die Bevölkerung in steter Unruhe, Ungewissheit und Unsicherheit zu halten. In Angst. Habendus metus est aut faciundus stellte  Sallust bezüglich der Mächtigen seiner Zeit fest. Sinngemäß also: Entweder sie müssen Angst haben oder Angst verbreiten.  Das funktionierte sehr gut, bis heute, war aber eigentlich bisher eher das Zeichen einer, formulieren wir es zurückhaltend, nicht lupenreinen Demokratie.

Habe ich hier irgendetwas verpasst?

Donnerstag, 9. April 2020

Erklärung

Das, liebe Obrigkeit, hast du gut beobachtet: Über Krankheiten kriegst du sie!

Der Anteil von Hypochondern oder Nosophobikern ist ja unter Künstlern generell, aber - auf den ersten Blick erstaunlicher Weise - auch unter speziellen Bloggern, die sich selbt als kritisch und reflektiert sehen werden, höher als im Bevölkerungsdurchschnitt.

Wer der grundsätzlichen Meinung ist, dass seine Person und die eigenen, mehr oder weniger individuellen  Ansichten von derartiger Wichtigkeit und Tragweite sind, dass sie stets der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden müssen, misst sich selbst eine Bedeutung zu, die in vielen Fällen mit einer Selbstbespiegelung und Eigenbeobachtung auch körperlicher Zustände einhergeht.

Von einer solchen Regel ist der Verfasser dieses Blogs natürlich augenommen, handelt er doch sichtbar uneitel und selbstlos.

Freitag, 3. April 2020

Wut

Mit welcher Wut von der Regierungslinie abweichende Ansichten in erschütternd vielen Bereichen öffentlicher bzw. veröffentlichter Meinung behandelt werden, könnte erstaunen. Allerdings nur, solange man sich der Hoffnung hingibt, der Mensch sei - zumal in der Masse - vernunftbegabt. Fähig zu vernünftigem Handeln sicher, aber derart von seinen Emotionen bestimmt, dass man Kopfschmerzen davon bekommt.

Der Kognitionswissenschaftler Mausfeld hatte vor nicht einmal einem Jahr seine Gedanken zum Thema Macht und Angst zusammengetragen. Und wie um ihn Punkt für Punkt zu bestätigen, können wir momentan beobachten, wie mit Methoden der kollektiven Angsterzeugung staatliche Maßnahmen ohne Widerstand seitens der Bevölkerung oder der Medien durchgesetzt werden, die die bürgerlichen Freiheiten, ja die Bürgerrechte in toto schlankweg außer Kraft setzen. Und jeder, der es auch nur wagt, die Weisheit dieser Entscheidungen, ihre Notwendigkeit, ihren Umfang, ihre Begründung zu hinterfragen, wird - inzwischen nahezu flächendeckend - delegitimiert, beschimpft, verlacht, dass es einen graust, angesichts dieser Manifestation des Mob!

Es ist die eigentlich paradox wirkende Beobachtung zu machen, dass bei zunehmender Rigidität der staatlichen Einschränkungen die Bereitschaft zum Diskurs abnimmt, bei gleichzeitiger Zunahme der Bereitschaft zur Denunziation abweichenden Verhaltens.

Wir besichtigen den Obrigkeitsstaat mit seinen Untertanen, die schulterzuckend die Weisungen ihrer Herren hinnehmen, ängstlich, autoritätsgläubig und denkscheu, arrangiert mit dem Leben im Nachtwächterstaat.

Aber bitte nennt euch nie mehr Demokraten!

Dienstag, 31. März 2020

"Über Krankheit kannst du sie kriegen!"

Dass selbst kritische Geister, die sich im Allgemeinen nicht nach den Maßgaben der Autoritäten richten, sondern gerade dann das Narrativ hinterfragen, wenn es aus allen Kanälen schallt, dass selbst diese kritischen Geister gleichsam in Angststarre verharren, wenn die annoncierte, diese Angst erzeugende Bedrohung eine Krankheit ist, ist erklärbar.

Freiberufliche Journalisten, Künstler, Kabarettisten, sind in der Regel selbstständige Ich-AGs. Wenn ein Freiberufler krank ist, verdient er kein Geld. Eine länger dauernde Erkrankung kann seine Existenz nachhaltig gefährden, strenger und stärker als jeden abhängig Beschäftigten, den Arbeits- und Sozialrecht - zumindest noch - schützen.

Kein Wunder also, dass Selbständige von Krankheiten oder Krankheitsbedrohungen ganz anders getriggert werden. Das ist ihre Schwäche, da sind sie verwundbar, da ist keine profesionelle Abgeklärtheit, da kriegt man sie.

Dienstag, 19. März 2019

Such a Parcel of Rogues

Gibt es denn wirklich überhaupt nicht und nirgends mehr so etwas wie menschlichen Anstand?

Sahra Wagenknecht kann nicht mehr. Sie will sich nicht weiter aufreiben und dazu von den eigenen Leuten fertigmachen lassen. Sie tritt nicht erneut zur Wahl des Fraktionsvorsitzes der LINKEN im Bundestag an und zieht sich aus der Führungsriege der von ihr mit initiierten Bewegung Aufstehen zurück.

Dass ihr darauf von Seiten ihrer politischen Gegner Häme entgegenspringt, der die deutliche Erleichterung anzumerken ist, dass die einzig wirklich gefährliche, weil integre, kluge und populäre linke Politikerin aus dem Scheinwerferlicht tritt, war zu erwarten. Dass diese politischen Gegner sich nicht nur auf der Rechten, sondern gerade in Kreisen der Linken finden, ist nicht weiter erstaunlich.

Aber was an ihrer Entscheidung ist ehrenrührig? Dazu müssen wir die Erklärung zur Situation von Aufstehen des AktionsCampus Aufstehen lesen, für das namentlich Marco Bülow steht.

Die elf Unterzeichner geben sich darin zwar anfänglich durchaus selbstkritisch, indem sie eingestehen, dass Aufstehen seinem Anspruch nicht gerecht geworden ist. Aber die Verantwortung dafür schieben sie zum großen Teil gleich wieder von sich, indem sie schreiben
Die Gründer und Initiatoren – wir inbegriffen – zeigten sich sträflich unvorbereitet auf die organisatorischen, politischen, finanziellen und personalpolitischen Probleme, die eine so sprunghaft anwachsende Bewegung gerade am Anfang zu bewältigen hat.
"Wir inbegriffen" - aber wirklich schuld sind natürlich andere, nein: Eine andere! Ohne sie zunächst namentlich zu erwähnen, spricht man von „mangelnder klarer politischer Führung“, davon, dass Beschlüsse nicht umgesetzt wurden. Dem sollte abgeholfen werden.
Bevor eine zwingend notwendige und endlich terminlich vereinbarte Krisensitzung zwischen diesem Vorstand und dem Verein stattfinden konnte…, erklärte Sarah Wagenknecht am Wochenende ihren Rücktritt von jeder Führungsverantwortung. Sie teilte dies vorab weder der Bewegung, noch den Mitinitiatoren oder den Kollegen im Vorstand mit, noch suchte sie unmittelbar danach das Gespräch. Wir erfuhren es aus den Medien. So sehr wir begreifen, wie hart die Auseinandersetzungen Sahra Wagenknechts in den Machtkämpfen in ihrer eigenen Partei waren und so sehr wir ihr eine gute persönliche Zukunft wünschen – diesen Umgang mit der Bewegung, die sie selbst gegründet und die auf sie vertraut hat, halten wir für politisch nicht verantwortlich.
Tja, und dieses Nachtreten ist schäbig und dumm!

Anständige Menschen, ja, selbst nur strategisch politisch denkende Menschen, hätten sich diesen Ausfall coram publico verkniffen.

Sahra Wagenknecht ist gesundheitlich schwer angegriffen. Sie war bereits am Ende ihrer Kräfte. Wenn man dann nicht in der Lage ist, den Umstand, dass Bewegung und Medien offenbar zeitglich von ihrem Rücktritt erfuhren, in der Öffentlichkeit großzügig zu übergehen, sondern ihn ausdrücklich moralisch empört thematisiert, wird man mit dieser intellektuellen Selbstauskunft (Mausfeld) künftig leben müssen.

Soviel zu schäbig und dumm.

Kommen wir nun zum Strategisch-Politischen:

Sahra Wagenknecht hatte angekündigt, weiter der Bewegung Aufstehen zur Verfügung zu stehen. Wie sollte man dieses Angebot mit einer derartigen Stellungnahme torpedieren wollen? Die Frau zieht Publikum. Die Frau kann frei reden. Die Frau ist telegen. So jemanden schützt und bewahrt man sich! So jemanden verbrennt man nicht öffentlich.

Denn dieses Nachtreten schadet weniger Sahra Wagenknecht: Es desavouiert vielmehr die gesamte Bewegung als Ansammlung mimosenhafter, kleingeistiger Rechthaber, die die Popularität Wagenknechts zwar für sich nutzen wollten, ihr aber gleichzeitig zutiefst neiderfüllt misstrauten.

Sahra Wagenknecht ist nunmehr für die Bewegung verloren, herzlichen Glückwunsch, Aufstehen!