Donnerstag, 18. Juli 2013

Natürlich die Radfahrer

Fahrrad fahren macht Spaß. Besonders wenn es nicht regnet. Lebt man in einer so großartigen Stadt wie Hannover, hat man als Radfahrer recht gute Karten, wenn es darum geht, von A nach B zu kommen, oder einfach grund- und ziellos Sonne und Luft zu genießen. Das Radnetz ist gut ausgebaut, die Naherholungsflächen schnell erreichbar und ebenfalls flächendeckend befahrbar.

Verbesserungsmöglichkeiten gibt es natürlich immer. Was aber jetzt mal wieder aufs Tapet gebracht wird, sagt am allermeisten über die Urheber der jeweiligen Forderungen:

Die SPD schlägt vor, Radwege, die sich beiderseits der Autostraßen befinden, künftig jeweils für beide Fahrtrichtungen freizugeben. Voraussetzungen: Die Wege selbst sind ausreichend breit und die Straßen sehr schwer überquerbar. Nur ist diese Art von Wegen bereits jetzt in beiden Richtungen befahrbar. Der Vorstoß bezieht sich also in Wahrheit auf die übrigen, die nicht ganz so breiten, die an Straßen liegen, die nicht ganz so unüberquerbar sind und ist damit im Prinzip die schlichte Kapitulation vor den Gegebenheiten. Denn in der Praxis werden eben alle Wege  in beiden Richtungen befahren - verbotstwidrig aber regelmäßig.

Der ursprüngliche Grund, warum man seinerzeit Extrawege für Fahrräder zu beiden Seiten der Autostraßen angelegt hat, liegt für Vollsinnige eigentlich auf der Hand. Die Radfahrer benutzen die Straßen wie die motorisierten Verkehrsteilnehmer, lediglich auf Extraspuren und damit vor den mit höherer Geschwindigkeit sich bewegenden Autos etwas geschützt. Solange diese Wege sich am jeweiligen Fahrbahnrand befinden, sind Radfahrer für jeden Autofahrer gut zu sehen und berechenbar - auch für den aus Seitenstraßen einmündenden Verkehr. Zu Unfällen kommt es trotzdem. Das Risiko liegt beim Radfahrer. Warum also gerade für ihn durch Lockerung der ihn betreffenden Regel sein Risiko auch noch erhöhen?

Der ADFC sieht dieses erhöhte Risiko, schließt aber daraus, es sei besser, die Radfahrer auf die Straße zu bringen zwischen die schneller fahrenden Autos, am besten mit Fahrspurwechsel und allem Schischi.  Für eine Fahrradkurier sicher eine akzeptable, wenn nicht gewünschte Alternative. Für 95% der Alltagsradfahrer aber schlichter Blödsinn, da latent suizidal. Hmm...?

Auch die Grünen sehen das erhöhte Risiko. Ihr verkehrspolitischer Sprecher allerdings scheint Sadist zu sein und ein verkappter Radfahrerhasser. Er meint nämlich: Jaja, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Autofahrer einen Fahrradfahrer übersieht, der ihm unerwartet begegnet, vergrößert sich, aber die Autofahrer müssen sich eben daran gewöhnen und entsprechend erzogen werden.Wie bitte? Ich soll meine Knochen hinhalten, um Autofahrer zu erziehen? Die Rechnung geht nämlich so: Anfänglich 50 bis 70 Radfahrer pro Jahr werden vom Gefährt geholt, im zweiten und dritten Jahr geht die Quote schon deutlich auf 40 bis 50 zurück und nach nur zehn Jahren haben sich die Autofahrer weitgehend daran gewöhnt, in Innenstädten Schritt zu fahren, stets bremsbereit, umsichtig und zuvorkommend zu sein.

Sehr lecker sind Leserbriefe zu diesem Thema. Da ist dann gerne von Eigenverantwortung die Rede, will sagen: Regeln weg, jeder passt auf sich selbst auf.

Willkommen in der schönen neuen Welt!

  • Geheimdienste lesen meine Mails?
    Ja, natürlich tun sie das, wenn du zu doof bist und nicht verschlüsseln willst!
  • Die Lebensmittelindustrie packt Pferdefleisch in die Lasagne und Gammelfleisch in den Döner?
    Ja, natürlich tut sie das. Damit musst du rechnen, wenn du dich billig ernähren willst!
  • Bei meiner Riesterrente ziehen mich Banken und Versicherungen über den Tisch?
    Ja, natürlich tun sie das, wenn du die finanztechnischen Feinheiten im Kleingedruckten nicht durchschaust.
  • ...
Im Grunde wird hier schlicht das Recht des Stärkeren propagiert.

Die Zivilisation war bereits weiter fortgeschritten.