Samstag, 2. November 2013

Hünde


Heute muss ich mich einmal - wie originell - über Hundebesitzer aufregen. Über eine ganz besondere Art von Hundebesitzern. Über bessergestellte Hundebesitzer: Finanziell bessergestellt, nicht etwa sozial oder kulturell! Damit habe ich die Pointe dieses Artikels schon verraten. Wie doof!

Denn sich über den klassische, den spießige Hundehalter lustig zu machen, ist ja seit Jahrzehnten Konsenz unter sich als intellektuell verstehenden Zeitgenossen. Nein, hier geht es nicht um die Omma mit ihrem verfetteten Dackel oder den reaktionären Jägerzaunrentner mit seinem Schäferhund. Auch nicht um den Nachwuchszuhälter mit Jogginghose, Muscelshirt und Pitbull.

Vertreter der einen hier zu besprechenden Kategorie würden sich, und darin erheblich von meiner fundierten Meinung abweichend, sicherlich als kultiviert, interessiert, sozial engagiert bezeichnen. Die finanzielle Situation ist gefestigt. Man ist erfolgreich im Beruf, gerne auch beamtet. Man hat Familie, durchaus schon die zweite und ist um die vierzig. Der Anteil der Grünenwähler in dieser Gruppe ist erheblich, der Verzehr von Bioprodukten und das Fahren eines SUV vertragen sich problemlos. Denn man lebt gesund und ist naturverbunden und möchte das auch gerne demonstrieren (es gibt allerdings auch Menschen, die benötigen den recht geräumigen BMW allein zum Transport ihrer Fahrräder). Diese beschriebenen Menschen brauchen große Hunde: Golden Retriever, Labrador, Irish Setter, Gordon Setter,  Siberian Husky, Australian Shepherd. Solange sie damit in ihren Vororthöllen bleiben, ist mir das egal. Sobald sie aber damit in Urlaub fahren, auf die Insel, auf meine Insel, verliere ich meine Gelassenheit, Geduld und Güte. Dann wünsche ich mir amerikanisches Waffenrecht, gute Deckung, eine ruhige Hand und verständnisvolle Polizeibehörden.

Zur Sache: Seit fast 20 Jahren verbringe ich meinen Urlaub auf der Nordseeinsel Spiekeroog. Zu den entspannten Zeiten des Winters oder, der schulpflichtigen Tochter wegen, in den nicht mehr so ganz entspannten Herbstferien. Nicht mehr so ganz entspannt, denn sie sind da! Und sie werden mehr, von Jahr zu Jahr: Horden jackwoolfskinbejoppter, -behoster und -beschuhter Verbrecherfamilien mit Renommierköter. Jene Tiere werden nicht angeleint ("das ist doch nicht artgerecht"), springen gerne fremde Kinder an ("der will nur spielen"), kacken überall hin ("soll ich das etwa mitnehmen?") und kommen gerne nordseebenässst (Labrador) und stinkend mit ins Restaurant ("der liegt doch nur unterm Tisch"). Die Besitzer sind stolz auf Bewegungsdrang und Tatkraft, und zutiefst davon überzeugt, ihren überzüchteten Carnivoren erzogen zu haben ("er hat halt seinen eigene Kopf, der Racker"). Nein, diese Tiere sind nicht erzogen. Das Aportieren von Stöckchen ist kein Beweis einer Dressurleistung, das Zurückkehren zu Herrchen nach längeren Ausflügen in Dünen und Brutkolonien ist dem Rudeltier immanent und kein Zeichen von Erziehung. Doch habe ich wiederholt das stundenlange und resultatfreie Gepfeife und Gerufe erlebt und das dann auch noch stolze Gesicht gesehen, das der gedankenfreie Leinenhalter aufsetzt, wenn sein Viech sich endlich zu ihm zurück zu kommen bequemte. Gut, der unberechtigte Stolz auf sein Tier ist jedem Hundebesitzer eigen, aber die Selbstgefälligkeit dieser Kaste, die aus einem schlecht erzogenen Hund einen autonomen Freigeist macht, ist in ihrer abstoßenden Borniertheit unerträglich.

Mein ewiges Thema. Eine rundum verrohende Gesellschaft, in der Eigeninteressen einzige Triebfeder des Handelns sind. Und deren privilegierter, weil eigentlich gebildeter Teil nicht mehr willens und in der Lage ist, verantwortlich, einfühlsam, empathisch und zugewandt seiner Umwelt entgegen zu treten, sondern vielmehr entschlossen ist, sein eigenes im Wortsinne asoziales Verhalten als Ausdruck von Freiheitsliebe und Spontaneität zu missverstehen. Und was Wilhelm Heitmeyer in seiner Studie im großen Zusammenhang beobachtet und dargestellt hat, lässt sich eben im Kleinen, Alltäglichen wieder erkennen.