Sonntag, 28. Dezember 2014

Interessanter Ansatz: Eine Tradition bewahren, indem man sie konsequent ihrer rituellen Bestandteile entkleidet

Seit Jahren hatte ich nicht mehr an der Sohlfahrt teilgenommen. Schlichte Bequemlichkeit hinderte mich. Menschen, die wieder zu sehen Grund einer Teilnahme gewesen wäre, blieben fern, andere, die wieder zu sehen ich eher vermeiden wollte, hingegen nicht. Und - schon dort entscheidend - alte Rituale, die den Tag gliederten, wurden von den Verantwortlichen Stück für Stück in Frage gestellt und aufgegeben. Es waren aber gerade die immer gleichen Rituale, seit Ewigkeiten schon überlebt und aus der Zeit gefallen, die den eigentlichen Reiz dieser Veranstaltung ausmachten. Und es war die Komik, die von den aufmerksamen Teilnehmern wahrgenommen werden konnte. Eine Komik, die gerade aus der Diskrepanz zwischen der Pflege corpsstudentischer Bierseligkeit und ihrer ironischer Brechung entstand. Gleichzeitig konnte man mit Formen und Inhalten spielen, die einem den Rest des Jahres eher fern lagen, wenn man nicht Pfadfinder, Burschenschaftler, Mitglied des Alpenvereins oder des RfV (Rassisten für Völkerverständigung) war. Eine interessante atmosphärische Mischung aus Feuerzangenbowle und Untertan lag über der Veranstaltung. Das konnte bei aufgeklärten Zeitgenossen nur wohlige Belustigung erzeugen.

Entstanden in wilhelminischer Zeit mit durchaus reformpädagogischen Ansätzen (dass Lehrer mir ihren Schülern Wanderungen unternahmen, war neu), bald bereichert um die Würdigung des in Eschershausen geborenen Schriftstellers  Wilhelm Raabe. Im Laufe der Zeit ergänzt um Rituale aus dem studentischen  Umfeld. Denn sehr schnell wurde aus der Sohlfahrt auch ein Treffen der Ehemaligen, die also Teile ihrer eigenen akademischen  Festkultur einbrachten. Dazu gehörten dann selbstgedichtete Balladen, die die örtliche Sagenwelt beschworen oder Moritaten, die sich gleich auf frei erfundene Ereignisse bezogen, die nach allen Regeln der Wissenschaft belegt und erläutert wurden.

Nicht zum Besseren entwickelte sich die Sache dann allmählich, als - vielleicht sogar wohlmeinende, jedoch denkbar humorfreie und gegenüber Ironie und Bedeutungsebenen von Sprache und Form taube  NeuteilnehmerInnen in diese eigentlich geschlossene Welt ihre Bedenken trugen:
  • Was sollen die Leute denken, wenn in einem bekannten, sicherlich selten dämlichen Lied aus der Mundorgel, das seit zig Jahren von Pfadfindern und was weiß ich wem an Lagerfeuern gegrölt wurde, das Wort "Neger" vorkommt?
  • Muss das sein, dass bei der Holzbeschau (einer beinahe klassischen Verkörperung des Begriffes Akademiescherz) Korn selbst an Schüler ausgeschenkt wird?
  • Und was soll überhaupt diese ganze alkoholselige Burschenherrlichkeit mit ihrem überkommenen Liedgut.
Gut, der Negeraufstand in Kuba wird seit 20 Jahren nicht mehr besungen, die Holzbeschau findet nicht mehr in Holzen statt (Krach mit dem Wirt, eine andere Geschichte) sondern gesittet im Roten Fuchs.

Seit Jahren geht die Teilnehmerzahl kontinuierlich zurück. Klar, ich bekomme ja selber den Hintern nicht hoch, vielleicht sollte ich mal wieder mitfahren. Es sind vor allem alte Herren, die gerne in Erinnerungen schwelgen und kaum Oberstufenschüler. Nun war zwar die Zahl der Ehemaligen stets weit höher als die der Aktiven. Jetzt wird das aber als Problem angesehen. Zeit für Veränderungen. Warum? Na gut, warum  nicht? Wie könnten denn Veränderungen aussehen?

Bis 2013 war der abschließende Fackelzug und das Feuer auf dem Stadtberg Programmbestandteil, ebenso wie der Besuch der Lippoldshöhle zu Beginn, die Holzbeschau und das gemeinsame Essen der Erbsensuppe an langen Tischen in Eschershausen. Sollten es vielleicht gerade die Traditionen und Rituale sein, die potentielle Teilnehmer abschrecken?  Dies scheinen Teile der gegenwärtig Verantwortlichen insinuieren zu wollen.

OStD Frau Ruth Völker meint dazu am 20.12.2014 in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung unter der Überschrift "Wie rettet man eine 100-jährige Tradition?":
"Wir versuchen, durch behutsames Modernisieren die Sohlfahrt auch für Jüngere wieder attraktiver zu machen."
Klingt doch toll, oder? Ist aber schlicht erbärmlich: Eine neu ins Amt gekommene Leiterin kann mit einer alten Tradition nichts anfangen, große Teile der Lehrerschaft erkennen die Chance, einen ungeliebten Termin am 4. Advent zu kippen ("Wir zerstampfen keine blühende Sache"), sind schließlich Ferien. Und die Organisation einer solchen Veranstaltung, gar die persönliche Teilnahme sind vom Arbeitsaufwand her nicht zumutbar. Und anstatt nun klare Kante zu zeigen und zu sagen: Sohlfahrt ist doof, wir stellen sie ein! laviert man im allerbesten Neusprech windelweich herum (Personalchef: "Wir wollen gerade unseren erfahrenen wertigen Mitarbeitern die Möglichkeit geben, ihre Potentiale in neuen beruflichen Zusammenhängen auszuprobieren und zu entwickeln" an Stelle von "Die teuren Alten schmeißen wir raus!"). Mit dieser widerlichen Mischung aus Unternehmensberater-, Marketing- und Sozialpädagogendeutsch will man den eindeutigen Sachverhalt, bzw. die eigentliche Intention verschleiern.
"Wir versuchen, durch behutsames Modernisieren die Sohlfahrt auch für Jüngere wieder attraktiver zu machen."
Wie sieht diese behutsame Modernisierung aus?
  • Lippoldshöhle?  Entfall!
  • Holzbeschau? Entfall!
  • Gemeinsame Erbsensuppe an langen Tischen? Entfall!
  • Weihnachstlieder im festlichen Saal? Entfall!
  • Fackelzug mit der Kapelle der Feuerwehr? Entfall!
  • Sonnenwendfeuer mit der Verbrennung der Strohpuppe Taugenichts? Entfall!
(Ach so, ja, Wilhelm Raabe kennt auch keiner mehr, und Reich-Rancki war vor 8 Jahren bei seiner Prosa gelangweilt, i. e. überfordert, und hat ihm wegen seines "Hungerpastors" Antisemitismus vorgeworfen) also:
  • Kranzniederlegung am Raabe-Denkmal in Eschershausen? Entfall!
Eine Wanderung an einem Wintertag im Hils. Abfahrt Hannover 10 Uhr, Ankunft Hannover 17 Uhr. Toll! Das begeistert, das reißt mit, das motiviert! Eine Frage der Zeit, wann da am vierten Advent wieder drei Busse ins Leinebergland fahren.

Donnerstag, 18. Dezember 2014

Cineastisches? Nicht wirklich!


Es ist für einen eher urbanen Menschen wie mich eine Selbstverständlkichkeit, das kulturelle Angebot der Großstadt regelmäßig zu nutzen; sporadisch zwar, aber auch Jahresabstände sind ein Regelmaß.

Um unserer Tochter ein familienkompatibles Vergnügen zu bieten, besuchten wir also gemeinsam eine Kinovorstellung in einem dieser Komfortzentren mit angeschlossener Lichtbildschau. Diese Einrichtungen gibt es schon länger, ich weiß, sie gab es bereits zu Zeiten meines letzten Kinobesuches vor ca. zwölf oder dreizehn Jahren, gut, lass es vierzehn gewesen sein. Was denn? Ich habe ein gemütliches Wohnzimmer mit ausreichend dimensioniertem Bildschirm und DVD-Abspielgerät! Herr Flebbe, unser lokaler Kinomogul hat unlängst in fußläufiger Entfernung unserer Wohnstatt ein Erwachsenenkino eingerichtet, ein Lichtspielhaus mit Erwachsenenfilmen (nein, nicht DIE Sorte) und einer Atmosphäre gediegener Eleganz und Bequemlichkeit. Es soll, so die Absicht, dem etwas älteren Publikum einen von Kindergelärme, Handygefiepe und allgemeiner Unruhe  freien Kinogenuss verschaffen. Daran glaube ich nicht! Und das will ich erklären.

Es sind doch gar nicht die Kinder und Jugendlichen, die stören. In die Filme dieser Zielgruppe bin ich ohnehin nicht gegangen und werde dies auch fürderhin nur familienbedingt in Ausnahmefällen tun – dann allerdings ärgere ich mich auch nicht über die kindliche und/oder die um einiges schlimmere pubertäre atmosphärische Gemengelage.

Der bereits angesprochene Film jedenfalls, den ich mit meiner Familie besuchte, hatte ein erwartet gemischtes Publikum und es waren nicht die Kinder und Pubertierenden, die Anlass zu Bitternis  und Zweifel am menschlichen Fortschritt gaben.

Es war der erwachsene Kleinbürger, der künftige Kunde des Premiumkinos, der  prinzipiell desinteressiert an allem ist, was jenseits seines arg begrenzten geistigen Horizontes liegt – und das ist viel. Der indezent und indolent auftritt, diese Charakterschwächen aber als Stärken seiner Persönlichkeit begreift. Er ist nicht rücksichtslos, er ist selbstbewusst. Er ist nicht aufdringlich, er ist ehrlich. Er ist nicht borniert, er steht zu seinen Ansichten. Seine Mentalität ist die des Schnäppchenjägers: „Aber nicht mit mir, ich bin doch nicht blöd.“

Das zeigt sich dann bei Kinobesuchen in der Form:

  • "Ich bin doch nicht blöd und komme bevor der Hauptfilm anfängt. Ich drängele mich lieber mit Popcorneimer und Colamaxibecher im Dunkeln stolpernd und kleckernd durch die sich schon entspannt zurückgelehnten Zuschauer."
  • "Ich bin doch nicht blöd und gehe Umwege, wenn ich während der Vorstellung aufs Klo muss oder Getränkenachschub brauche. Auch wenn ich ganz rechts außen sitze und von dort durchaus den Zuschauerraum umrundend zum Ausgang auf der linken Seite gelangen könnte, ziehe ich den kürzeren Weg vor und arbeite mich durch die gesamte Reihe von rechts nach links."
  • "Ich bin doch nicht blöd und lasse während der Vorstellung mein Smartphone ungenutzt. Selbstverständlich muss ich überprüfen, ob irgendjemand irgendwo irgendetwas mitgeteilt hat, ich twittere schließlich auch in die Welt, dass ich gerade im Kino sitze und einen Film gucke. Der helle Bildschirm, der den Raum erhellt,  stört mich beim Tippen überhaupt nicht."

Er fühlt sich als aufgeklärter Konsument, der lediglich die ihm zustehenden Rechte wahrnimmt, ist aber doch wohl eher von der immer währenden Angst gefangen, von irgendjemanden übervorteilt, benachteiligt, zurückgesetzt zu werden. Also übervorteilt, benachteiligt und setzt er lieber gleich selbst zurück.

Seine geistige Grundhaltung findet ihren Ausdruck im ersten Satz des hessischen Glaubensbekenntnisses nach Beltz: „Isch glaub, isch komm zu korz!!“ Ihm geht es solange gut, solange es seinem Nächsten nicht besser geht. (Nebenbemerkung: Auch darin war der durch die wichtigsten Medien geschürte "Volkszorn" während des Lokführerstreiks begründet: "Wie kommen die dazu, für höhere Löhne zu kämpfen, ich bekomme auch nicht mehr als die!")

Kleinbürgertum ist keine sozioökonomische, sondern eine geistige Kategorie.

Für Flebbes Filmpalast bedeutet dies vor allem, dass die Das-steht-mir-zu-Haltung ausdrücklich bedient wird von einem Heer von 100 Lakaien (die hoffentlich wenigstens anständig bezahlt werden, vermutlich werden sie das nicht), zu dem meines Wissens aber leider keine Abteilung von geschulten Ordnern gehört, die indezentes Erscheinen händisch und unverzüglich entfernen.

Sonntag, 1. Juni 2014

Gastronomisches



Max Goldt zitiert bei Gelegenheit eine Bekannte mit der Aussage: "Wer nichts wird, wird Gast." Und da ist verdammt viel dran. Denn die bekanntere Sentenz behauptet ja leichtfertig und empirisch unbelegt, dass nicht viel dazu gehöre, eine Kneipe zu führen - oder einen Biergarten. Das ist eine grobe Verkennung der Sachlage.

Es ist leicht, als Gast und Kunde ein Etablissement abzuwerten: Das Bier ist zu warm, zu kalt, zu teuer, zu schnell gezapft, zu langsam. Dis Speisekarte ist zu sparsam, um den Bedürfnissen nach Vielfalt  zu genügen, oder viel zu umfangreich um gleichmäßig gute Qualität bieten zu können. Die Ausstattung ist zu primitiv oder zu edel, zu spießig oder zu life-stylish. Kritisieren kann man immer und alles. Wichtig für einen angemessen wertenden Gast ist es (und daraus soll man sehen: "Gast" kann auch nicht jeder), Anspruch des Betreibers, Bedürfnis des Zielpublikums, daraus resultierendes Ambiente und Angebot zu erkennen, gegeneinander abzuwägen und dann erst zu schlussfolgern. In einem Schnellimbiss, aber auch im Biergarten kann ich eine  gute Currywurst und frische Pommes frites erwarten, aber kein fachgerecht zubereitetes Sushi. Allerdings auch keine "kleine Portion von der Hackfleischsuppe, aber bitte ohne Hackfleisch."

Schwer hingegen ist es, Wirt zu sein.  Das Handwerk lässt sich erlernen, natürlich, Gastronom ist ein Lehrberuf. Selbst der anfängliche Laie kann es mit einiger Mühe dahin bringen, eine Imbissbude zu betreiben. Der Laden muss aber erst einmal in Gang gebracht werden. Liegt er in der richtigen Gegend, besteht überhaupt Bedarf an einer Gastronomie vor Ort? Gibt es starke Konkurrenz? Müssen sich die Leute erst einmal an etwas Neues gewöhnen?

Es gehört somit nicht viel dazu, möchte man denken, eine bereits über Jahre etablierte Einrichtung zu übernehmen und schlicht weiterzuführen. Doch selbst das kann misslingen, beachtet man existenzielle Basics der Schankwirtschaftslehre nicht.

Und zu denen gehört, verdammt noch mal, den Laden nicht früher zu schließen als ausgewiesen!
Auch nicht, wenn nur noch zwei Gäste anwesend sind!
Die man nicht gut kennt!
Weil man sie nicht kennen kann!
Weil die das erste Mal in dieser Saison da sind!
Weil der Laden erst vor gerade vier Wochen wieder eröffnet worden ist!

Eben: Jahrzehntelange Erfahrung lehrt, worauf es nämlich tatsächlich ankommt: Auf Herz, auf Liebe zum Beruf!

Es ist die Persönlichkeit des Wirts oder der Wirtin. Die bringt kein Aushilfszapfer mit, keine noch so attraktive studentische Bedienhilfe. Und eine solche Persönlichkeit ist Ausdruck der Liebe zum Beruf. Denn ohne Liebe an dieser Form des Geschäfts ist das nicht zu machen. Der Beruf ist stressig, man hat es mit unzumutbaren Arbeitszeiten zu tun, mit nervigen, besoffenen, psychisch labilen, redseligen, aber auch großkotzigen, schikanösen Menschen.

Da hilft Routine, da hilft Gefühl für Timing, da hilft Schlagfertigkeit, da hilft Herz! Wenn die Wirtin oder der Wirt Herz zeigen, Zugewandtheit, Spaß am Beruf, sieht der Gast selbst über kleinere Unzulänglichkeiten hinweg. Der ausgebildete Gast jedenfalls. Der Restgast, der lediglich seine eigene kleine Miesheit an Dienstleistern ausleben will, der Kassiererinnen anpöbelt, Kellner kujoniert, hat natürlich für die Feinheiten menschlicher Existenz kein Organ, der ist auf Krawall gebürstet, weil er sich überall über den Tisch gezogen fühlt "Aber nicht mit mir!"

Ausgebildeter Wirt und ausgebildeter Gast aber verstehen sich prächtig. Die Lokalität hat Atmosphäre, selbst wenn die Einrichtung überholt werden könnte, die Stühle wackeln und der Handtuchspender kaputt ist. Speise und Getränke entsprechen den Anforderungen? Reicht!

Andererseits kann alles picobello, frisch gestrichen und geharkt sein, sobald der Gast das Gefühl hat, eigentlich störe er  im perfekten Betriebsablauf eher, wird er diese gastronomische Einrichtung fürderhin doch wohl zurückhaltender nutzen.

Nachbemerkung: Wieso jemand glaubt, es würde den Reiz einer Freiluftschankwirtschaft in Norddeutschland erhöhen, wenn er sie im "bairischen Biergartenstil" umgestaltet, erschließt sich mir nicht. Ein bairischer Biergarten ist ein bairischer Biergarten und gehört nach Bayern. Die Tradition, dort auf den kastanienbeschatteten Bierlagerkellern Außengastronomie zu betreiben, ist ortstypisch. Waldgaststätten und Ausflugslokale, gerne in Gartenkolonien oder bei Schützenheimen angesiedelt, gibt es hier im Norden ebenso lange, der Charakter ist ein anderer, aber kein schlechterer oder mängelbehafteter. Und solange man hierorts bei Bestellung eines kleinen Bieres ein 0,2l-Gläschen und eben keine Hoiberte bekommt, sollte man diese Bayernhuberei einfach bleiben lassen!

Samstag, 15. März 2014

Mensch, ärgere ich mich nicht?

Freunde und Verwandte fragen mich, warum ich hier so lange nichts mehr geschrieben habe. Ob ich mich denn nicht mehr ärgerte.

Und ob ich mich ärgere! Täglich! Jeden Morgen! Abends nicht mehr, denn ich gucke keine Nachrichten. Die sind mittlerweile so grotten-gleichlautend-geleckt-und-gelackt, dass die Aktuelle Kamera selig als eien Fackel der Aufklärung und Wahrhaftigkeit gelten muss.

Also, jeden Morgen ärgern beim Blick in die Hannoversche Allgemeine Zeitung (die Neue Presse ist keinen Deut besser). Aber worüber regt er sich denn auf, der arme Mann? Über fast alles! Es ist zu viel, um darüber im Einzelnen zu reden. Da werden Ressentiments bedient, wenn nicht erzeugt, alte Feindbilder aufgefrischt...

So ist die Mainstream-Berichterstattung über die Situation in der Ukraine und auf der Krim geradezu unterirdisch einseitig und kritiklos gegenüber der westlichen Politik. Ohne weiter und näher darauf einzugehen nur so viel: Wieso zeigt man sich erstaunt bis entrüstet, dass der russische Staatschef nach einem antirussischen Putsch in seinem direkten Nachbarland nicht untätig bleibt und seine auf der Krim stationierte Schwarzmeerflotte militärisch absichert? Das sagt gar nichts darüber aus, ob Herr Putin ein lupenreiner Demokrat ist, aber so und in dieser Weise hätte jeder russische Staatschef handeln müssen. Eine enge Anbindung der Ukraine an den Westen mit möglicher und bereits angekündigter NATO-Ausweitung bis an die russische Staatsgrenze, 500 km - das ist Kurzstreckenraketendistanz - entfernt von Moskau, sollte Putin unkommentiert und tatenlos geschehen lassen?

Die Situation stellt sich inzwischen so dar, dass man froh darüber sein muss, dass der gegenwärtige Präsident der russischen Konföderation weder der unberechenbare Brandstifter ist, als der er von großen Teilen der politischen und medialen Welt beschrieben wird, noch ein windelweicher rettungslos überforderter Alkoholiker wie sein Vorgänger, dem alles aus dem Ruder läuft, sondern der durchaus nicht sympathische kalte und berechnende Machtpolitiker, der seine Interessen zu wahren sucht und lediglich die Mittel einsetzt, die opportun erscheinen - nicht weniger, aber Gott sei Dank auch nicht mehr.

PS: Was ich nicht tue, weil Frau Merkel gesagt hat, dass man das nicht darf, ist, darauf hinzuweisen, mit welchen militärischen und natürlich völkerrechtswidrigen Mitteln, wie dem gezielten Töten von Verdächtigen(!) durch Drohnen die westliche Großmacht, zum Teil mit ausdrücklicher Unterstützung und Beteiligung durch die Bundesrepublik, denn Deutschland darf nicht immer beiseite stehen und nur zuschauen (v. d. Leyen, Steinmeier, Gauck), seit Jahren ihre geostrategischen und wirtschaftliche Interessen in der Welt durchsetzt.

Wie man staatsmännisch abgewogen argumentiert, zeigt mal wieder der Gregor Gysi im Bundestag!