Was kann einen mit 57 Jahren fassungslos machen? Abgesehen von Unfälle und Schicksalsschläge im persönlichen Umfeld, eigentlich wenig.
Das meint nicht, dass ich zu abgebrüht bin, um durch irgendein Ereignis berührt zu werden. Ich rede nicht von Erschütterung, Mitleid, Wut angesichts von Verbrechen oder Krieg. Fassungslos macht mich immer noch der Anblick des Bösen. Und zwar das Böse, welches als Selbstzweck existiert. Nicht "das Böse", das wie ein Dämon in Menschen fahre und sie zu Unrecht und schlimmen Taten verleite, wie es fundamental-religiösen US-Amerikaner bestimmter Kategorie begreifen - eine Auffassung allerdings, die tief in der amerikanischen Seele verwurzelt scheint, widergespiegelt in zahlreichen Mainstream-Serienproduktionen des Kriminalgenres, wo jeder Normverstoß geahndet werden muss als Ausfluss des Bösen, der durch nichts gemildert werden kann.
Mich machen Menschen fassungslos, die Böses tun, nur weil sie es können. Die bewusst Unrecht tun, nicht um etwas anderes zu erreichen, sondern nur, um Unrecht zu tun. So macht mich der Räuber, der einen anderen Menschen niederschlägt, um ihn zu berauben, zornig, aber nicht fassungslos. Der unter Testosteron leidende Jungmann, der sich ständig beleidigt fühlt und bei jeder sich bietenden Gelegenheit zuschlägt, ist ein Arschloch, das gehörig eingenordet gehört - mit Sozialdienst beispielsweise, wie Latrinenschrubben im Pflegeheim, höhö.
Was aber treibt den Mann, die Frau (oh ja, auch Frau), der oder die andere Menschen quälen, nur um zu quälen, nur um Leid zuzufügen. Wenn es wenigstens sexuelle Lust wäre, die sie empfinden. Auch der Sadist macht mich nicht fassungslos. Und der willkürlich Gewalt ausübende Despot verbreitet Angst und festigt seine Herrschaft. Das ist niederträchtig, aber begreifbar, fassbar.
Was aber treibt Kai Diekmann, wenn er die BILD-Leser abstimmen lässt:
"Sollen wir Griechenland mit weiteren Steuermilliarden unterstützen?"
Denn Diekmann weiß: Bei den im Raume stehenden Geldern handelt es sich weder um Steuergelder, noch wird Griechenland unterstützt.
Was also treibt Kai Diekmann?